Fördern Radwege den Radverkehr?

[Keine Angst vor dem Radfahren auf der Fahrbahn] [Gefahren von Radwegen] [Wiener Mehrzweckstreifen] [John Franklin über Radwege (Englisch)]

Radwegfans und Mehrzweckstreifenfans behaupten oft, dass solche Separationsmaßnahmen trotz ihrer geringeren Sicherheit den Radverkehr fördern würden.

Statistische Daten

Diese Behauptung versuchen sie mit dem Hinweis zu untermauern, dass es z.B. in Münster und den Niederlanden einen hohen Radverkehrsanteil und viele Radwege gäbe.

Sollte es tatsächlich eine Korrelation zwischen Radverkehrsanteil und Anzahl an Radwegen geben, ist damit noch keine Kausalbeziehung "Aus mehr Radwegen folgt mehr Radverkehr" nachgewiesen. Es kann auch die umgekehrte Kausalbeziehung bestehen, oder eine gemeinsame Ursache kann vorliegen.

Allerdings haben die Radwegfans noch nicht einmal eine Korrelation nachgewiesen, sondern nur Einzelbeispiele gebracht. Es gibt auch Gegenbeispiele, z.B. Milton Keynes, das trotz dichtem Separationsnetz einen wesentlich geringeren Radverkehrsanteil hat als ein Nachbarbezirk ohne Radwegenetz; oder Bologna, das ohne jegliche Separation einen sehr hohen Radverkehrsanteil hat (eigene Beobachtung 1992).

Es gibt auch deutliche Hinweise, dass die Anzahl der Radwege den Radverkehr nicht positiv beeinflusst. So ist in Deutschland die Anzahl an Radwegen in den 90er-Jahren stark gestiegen, der Radverkehr ist stagniert, der Radverkehrsanteil (bei steigendem Verkehr) sogar geschrumpft (Quelle: Deutsche Statistiken, in de.rec.fahrrad zitiert, leider habe ich die Postings nicht mehr). Eine Untersuchung in Detmold ergab die gleichen Resultate. Und in Dublin sank der Radverkehrsanteil mit dem (dank des?) Bau von Radstreifen von 8.5% auf 4.5% zugunsten des PKW-Verkehrs (Irish Independent, 20.12.2004).

Umgekehrt haben andere Maßnahmen, v.a. Image-Kampagnen, sowohl in Detmold als auch in Langenlois den Radverkehrsanteil auf ein Mehrfaches gesteigert, in Langenlois von 3% auf 14% bei gleichzeitiger Abnahme des PKW-Verkehrs und einer leichten Zunahme der Fußverkehrs.

Einzelfälle

Im Kreis meiner Kollegen gibt es einen, der nicht mehr mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt, seit es auf allen praktikablen Routen (Gudrunstrasse/Sonnwendgasse und Arsenalstrasse) Radwege gibt. Er fährt seitdem auch weniger Rad in der Freizeit. Er hat dann den Führerschein gemacht und sich überlegt, per Motorrad zur Arbeit zu fahren (aber sich dann doch für die U-Bahn entschieden; dafür hat er das Radfahren inzwischen komplett aufgegeben).

Ein weiterer Kollege befragte mich kürzlich zur Radwegbenutzungspflicht. Er würde gerne mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren, aber auf den Radwegen dauert ihm das zu lang (45min), und auf seiner Strecke (Kagran-Karlsplatz) lassen sich die leider nicht vermeiden.

Ich selbst bin damit der einzige in unserer Abteilung, der noch mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt. Denn zum Glück kann ich mir noch eine weitgehend radwegfreie Route aussuchen.

Von ähnlichem berichtet in <1e7v61z.jh6av910udawfN%Ingo.Keck@stud.uni-regensburg.de> auch Ingo Keck, der wegen eines Radstreifens nicht mehr mit dem Rad zu seiner Uni fuhr (inzwischen wohnt er nicht mehr in Regensburg).

Ich fragte die Teilnehmer der Trost-Rad-Mailingliste (darunter sind viele Separationsfans), ob sie mir von einem Fall berichten könnten, in dem jemand wegen Radwegen mit dem Alltagsradfahren begonnen hat. Niemand hat mir von sowas berichtet.

Umgekehrt habe ich aber, ohne groß danach zu fragen, von einem weiteren Wiener erfahren, der wegen der Rad-wege in Wien mit dem Radfahren aufgehört hat <43f8c5b9$0$704$79720d31@newsreader.inode.at>.

Radwege bremsen

Es ist nicht allgemein bekannt, wie stark Radwege bremsen. Ich war sehr überrascht, wie groß der Effekt ist: 1999 schaffte ich die Strecke Matzleinsdorfer Platz-Leopoldau ohne Benutzung der Radwege in 33min, während ich zehn Jahre früher auch bei größter Anstrengung (und Risiko) auf Radwegen mindesten 45min gebraucht hatte (und bei etwas gemächlicherem Tempo 50min), obwohl sich meine Kondition nicht sehr verbessert hatte, und ich mich auch nicht besonders angestrengt hatte. Auch einige andere Erfahrungen deuten darauf hin, dass Radwege die Radfahrer um ca. den Faktor 1.5 bremsen; diese Erfahrung wird auch von anderen Leuten bestätigt <1hnk8am.5yju63hrmljgN@Mathias.Boewe.dialin.t-online.de>

Das spielt insbesondere eine Rolle, wenn man den Radverkehr als Alternative zum motorisierten Individualverkehr sieht: mit dem Motorrad bin ich die Strecke damals durch die Stadt in 28min gefahren, über die A23 in 20min.

Durch Radwege wird die Anzahl der Fälle, in denen Radfahren schneller ist, also beträchtlich reduziert, und Radfahrern als Alternative zum KfZ-Verkehr unattraktiver.

Sollte der Radverkehr in Einzelfällen tatsächlich durch Radwege steigen, dann wohl vor allem zu Lasten des Fußgänger- und öffentlichen Verkehrs.

Fazit

Insgesamt scheinen Radwege keine Radverkehrsförderung zu bewirken, eher im Gegenteil. Selbst wenn sie eine bewirken würden, gibt es wohl weniger schädliche (und wohl auch billigere) Möglichkeiten, um den Radverkehr zu fördern (z.B. Imagekampagnen).


Anton Ertl