Mehrzweckstreifen Alserbachstrasse

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Ich habe mir am Freitag, 21. Juli 2000, um ca. 15:30-16:10 die Mehrzweckstreifen in der Alserbachstrasse angeschaut, die von z.B. Argus und Teilnehmern an der Trost-Rad Mailingliste hochgelobt wurden (bis hin zu "Ganz Wien muss Alserbachstrasse werden").

Sie sind unmittelbar neben den Parkstreifen ca. 150cm breit, an anderen Stellen (neben dem Gehsteig bzw. zwischen den Fahrstreifen) scheinen sie mir noch schmaler zu sein (ja, ich werde das nächste mal ein Massband mitnehmen), genau wie das Helmut Hawel auch für die Favoritenstraße gefordert hat (obwohl das Kuratorium für Verkehrssicherheit eine Mindestbreite von 150cm fordert).

Auf dem Großteil der Strecke verläuft links daneben ein ca. 250cm breiter Fahrstreifen, und dann ein durch Schwellen getrennter Gleiskörper.

Rechts neben dem Mehrzweckstreifen befinden sich abwechselnd Parkstreifen (ohne Abstand zwischen Parkstreifen und Mehrzweckstreifen), Gehsteig, Abbiegerspuren, und eine Busspur.

Auf dem Mehrzweckstreifen befanden sich: Aufgemalte blaue Kreise mit Fahrradpiktogrammen, aufgemalte weiße, rotumrandete Kreise mit einem rot durchgestrichenen Rollschuh, Kanaldeckel, und ein halb auf dem Streifen, halb auf dem Gehsteig parkendes Auto (die ersten drei Dinge machen sich besonders gut bei Nässe). Der Streifen war erstaunlich sauber, offenbar wird er (noch?) mitgekehrt; mal schauen, wie er im und nach dem nächsten Winter ausschaut.

Zunächst bin ich die Alserbachstraße auf ihrer ganzen Länge in beiden Richtungen abgefahren. Dort, wo der Mehrzweckstreifen neben dem Parkstreifen verläuft, bin ich dabei auf dem Fahrstreifen gefahren, ansonsten auf dem Mehrzweckstreifen. Auf dem Mehrzweckstreifen beschränkte ich meine Geschwindigkeit auf 10-15km/h, mehr erschien mir bei der Schmäle zu gefährlich. Neben an der Ampel wartenden Autos fuhr ich noch wesentlich langsamer (Aufklappbereich von Türen).

Dort, wo ich auf dem Streifen fuhr, erlebte ich auf ein paar hundert Metern mehr Überholmanöver mit sehr geringem seitlichem Sicherheitsabstand als sonst auf ein paar hundert Kilometern. Insbesondere ein Lieferwagen fuhr mit den rechten Reifen unmittelbar auf der Grenze zwischen Mehrzweckstreifen und Fahrstreifen (also vielleicht 10-20cm Abstand zwischen mir und seinem Rückspiegel).

Dann habe ich mich nach einem guten Beobachtungsplatz umgeschaut, zunächst in der Nähe der Nußdorferstraße. Dort konnte ich nicht viel sehen, allerdings ist mir aufgefallen, dass zwei Radfahrer offenbar die Busspur dem Mehrzweckstreifen vorzogen (allerdings ist einer später rechts auf den Gehsteig gefahren, die andere rechts auf die Nußdorfer Straße abgebogen.

Ein besserer Aussichtspunkt war dann die Kreuzung mit der Simon-Denk-Gasse, wo ich den Verkehr Richtung Nußdorferstraße beobachtete. Alle acht Radfahrern, die in ca. 20 min vorbeikamen, fuhren ungefähr in der Mitte des Mehrzweckstreifens, also im Aufklappbereich der Autotüren. Einer fuhr an dem mitten auf dem Streifen platzierten Kanaldeckel mit einem Schlenker nach links vorbei, eine mit einem Schlenker nach rechts, bei den anderen ist mir nichts aufgefallen.

Die Radfahrer fuhren alle mit ca. 10-15km/h, inklusive dem mit Rennrad und entsprechender Kleidung. Vielleicht war ihnen der Streifen auch zu eng für höhere Geschwindigkeiten. Der letzte Radfahrer lief auf die vorletzte Radfahrerin auf und paßte sein Tempo dann ihrem an.

Die Autofahrer machten keine sichtbaren Anstalten, den Sicherheitsabstand beim Überholen zu maximieren, offenbar hat das Spurdenken voll gegriffen (legal ist Überholen dort eh nur für einspurige Fahrzeuge möglich). Ein Mopedfahrer fuhr ca. auf dem Grenzstreifen zwischen Mehrzweckstreifen und Fahrstreifen (offenbar gibt's auch einen Mopedfahrerminderwertigkeitskomplex, vielleicht legt man den erst mit dem Führerschein ab); dabei fuhr allerdings kein Radfahrer auf dem Streifen.

Insgesamt erscheint mir, dass hier wieder einmal der Bereich, den die Autofahrer aus gutem Grund meiden (Aufklappbereich von Autotüren, von Einbiegern nicht einsehbar, Aufstellbereich für Einbieger, Sicherheitsabstand zum Gehsteig, Gully, Kanaldeckel), wieder einmal als Getto für die Radfahrer abmarkiert hat. Dort ist es aus den selben und anderen Gründen gefährlich für die Radfahrer. Der Streifen sollte eigentlich als Sperrfläche abmarkiert werden.

Ausserdem haben wir noch die Mehrzweckstreifen zwischen den Fahrstreifen. Da wir hier beim Rechtsabbiegen der KfZ wieder zwei Fahrzeugströme haben, die sich kreuzen, wird es wohl ab und zu zu Konflikten kommen (wäre sicher auch interessant zu beobachten). Die gäbe es nicht, wenn dort Radfahrer und Autofahrer auf einem gemeinsamen Fahrstreifen in einem Fahrzeugstrom fahren, aus dem dann die Rechtsabbiegerspur abzweigt. Im Übrigen kann ich mir vorstellen, dass der Streifen die Unsitte fördert, im fließenden Verkehr zwischen den Fahrstreifen zu fahren.

Im Vergleich zum Mehrzweckstreifen Jedleseerstraße, von dem einige nicht mehr so begeistert sind, kann ich keinen großen Unterschied entdecken. Dort, wo die Gegebenheiten genauso sind wie in der Jedleseerstraße (Parkstreifen), ist der Mehrzweckstreifen ähnlich ausgeführt; ich sehe die Jedleseerstrasse aufgrund der geringeren Bemalung und der fehlenden (oder sind sie mir nur nicht aufgefallen?) Kanaldeckel dabei leicht im Vorteil.

Der Mehrzweckstreifen wurde mehrmals als besonders praktisch zum Vorbeirollen am Stau beschrieben. Nur vom Stau war trotz Freitagnachmittag keine Spur, und die Straße hätte wohl auch noch doppelt soviel Verkehr ohne Stau verkraftet. Stau dürfte dort also ein eher seltenes Ereignis sein. Und wenn einer da ist, kann man auf diesen schmalen Streifen nur im Aufklappbereich von Türen daran vorbeifahren (wahrscheinlich Mithaftung im Falle eines Unfalls). Und für diesen zweifelhaften Vorteil sollen die Radfahrer zu jeder Tages- und Nachtzeit die Nachteile der Mehrzweckstreifen erdulden?

Ich bin froh, dass sie diesen Mist nicht auf der Favoritenstrasse gemacht haben, wo ich täglich fahre (war dort nämlich geplant).


Anton Ertl